FAIRmat: Eine Schatzkiste voller Materialdaten
Der Lehrstuhl für Angewandte Physik der FAU ist am Projekt FAIRmat beteiligt, das am Freitag, den 2. Juli 2021 von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) in einem mehrstufigen Wettbewerb der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) bewilligt wurde. Das Projekt erhält damit Fördermittel für den Aufbau einer Infrastruktur, die es ermöglicht, materialwissenschaftliche Daten FAIR zu machen: auffindbar (Findable), zugänglich (Accessible), interoperabel (Interoperable) und wiederverwendbar (Re-purposable). Damit wird es Forschenden in Deutschland und darüber hinaus ermöglicht, Daten langfristig zu speichern, zu teilen, zu finden und zu analysieren. Während der Laufzeit von fünf Jahren werden insgesamt 60 Projektleiterinnen und Projektleiter aus 34 deutschen Institutionen gemeinsam im FAIRmat-Konsortium arbeiten.
Die Erkenntnisse aus der Physik der kondensierten Materie, der Chemie und den Materialwissenschaften bestimmen maßgeblich den Wohlstand und Lebensstil unserer Gesellschaft: Neue Produkte und Erzeugnisse in den Bereichen Energie, Umwelt, Gesundheit, Mobilität und IT sind auf verbesserte oder gar neuartige Materialien angewiesen. Die enormen Mengen an Forschungsdaten, die in diesen Wissenschaftsbereichen täglich produziert werden, sind daher ein Schatz des 21. Jahrhunderts. Dieser Schatz ist jedoch wenig wert, wenn die Daten nicht umfassend beschrieben und verfügbar gemacht werden. Wie können wir dieses Rohmaterial veredeln, also die Daten in Wissen und Wert verwandeln? Dafür ist eine FAIRe Dateninfrastruktur ein Muss.
Hier setzt FAIRmat („FAIR Data Infrastructure for Condensed-Matter Physics and the Chemical Physics of Solids“) an. Mit dem Aufbau einer FAIRen Forschungsdateninfrastruktur für die genannten Gebiete will das Konsortium den Materialdatenschatz bergen und damit zu einem grundlegenden Wandel in Wissenschaft und Forschung beitragen. FAIRmats stellvertretender Sprecher Matthias Scheffler vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft erklärt: „Wir interpretieren das Akronym FAIR zukunftsorientiert: Forschungsdaten sollten auffindbar (Findable) und für Künstliche Intelligenz bereit (Artificial-Intelligence Ready) sein. Diese neue Perspektive wird die wissenschaftliche Kultur und Praxis voranbringen. Sie wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht ersetzen – aber Forschende, die eine solche FAIR-Infrastruktur nutzen, können diejenigen ersetzen, die das nicht tun.“
Der Lehrstuhl für Angewandte Physik der FAU ist Teil des FAIRmat-Konsortiums. Prof. Heiko B. Weber und Dr. Michael Krieger entwickeln gemeinsam mit Heinz Junkes vom Fritz-Haber-Institut Berlin eine universelle und einfach zu konfigurierende Softwareumgebung zur Messdatenerfassung und Dokumentation. „In unserem Forschungsgebiet werden häufig Messaufbauten mit zahlreichen Spezialmessgeräten benötigt – jeweils anpasst an die experimentelle Fragestellung.“, erklärt Prof. Weber. „Diese Diversität erfordert eine anpassungsfähige und leicht zu konfigurierende Software für die Experimentsteuerung und Datenerfassung.“ Dabei geht es aber nicht nur um die Rohdaten. Auch die Experimentbeschreibung einschließlich aller Einstellungen der verwendeten Laborgeräte, die sogenannten Metadaten, sind notwendig. Nur so, ist das Experiment vollständig und FAIR dokumentiert, und die wertvollen Messdaten sind auch von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verwendbar. „Eine bei uns entwickelte Prototypsoftware für die Experimentsteuerung mit einheitlicher und dokumentierter Datenausgabe haben wir bereits seit Jahren im Einsatz.“, so Dr. Krieger. „Dieses erfolgreiche Konzept werden wir im FAIRmat-Projekt mit dem open-source Experimental Physics and Industrial Control System (EPICS) zusammenbringen, das die Aufnahme der Daten und Metadaten, Speicherung, Archivierung und Bereitstellung der Forschungsdaten entsprechend der in FAIRmat zu entwickelnden Standards übernimmt.“
Die FAU ist mit einem weiteren Teilprojekt in FAIRmat aktiv. Prof. Christoph Brabec vom Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften, der auch als Direktor des Forschungszentrums Jülich am Helmholtz Institute Erlangen-Nürnberg die Hochdurchsatz-Photovoltaikforschung leitet, wird gemeinsam mit Dr. Thomas Unold vom Helmholtz Zentrum Berlin die FAIRmat Datensammlung im Bereich der Halbleiter für optoelektronische Anwendungen in der Praxis erproben, anwenden und weiterentwickeln. Prof. Brabec: „Das Ziel ist der Aufbau einer Materialenzyklopädie mittels automatisierter und in Zukunft auch autonomer Labore. Mit Hilfe des FAIR Prinzips in der Daten- und Metadatenverarbeitung können Optimierungsalgorithmen des maschinellen Lernens direkt auf die Daten zugreifen und in Echtzeit neue Versuche oder Experimente vorschlagen und auch ausführen. Am Beispiel der Optoelektronik sollen so hocheffiziente, kostengünstige und ungiftige Halbleiter mit optimalen Eigenschaften für Bauelemente und Systeme zur Erzeugung und Wandlung erneuerbarer Energie entdeckt und erforscht werden.“
Das FAIRmat-Konsortium ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Die NFDI ist ein bundesweites Netzwerk, das derzeit aufgebaut und von 2019 bis 2028 mit bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr von Bund und Ländern gefördert wird, um Forschungsdaten systematisch zu verwalten.
FAIRmat deckt ein breites Spektrum an Forschungsgebieten in der Physik und verwandten Bereichen ab, dementsprechend vielfältig und heterogen sind Grundkonzepte und Messtechniken, Arbeitsweisen und Forschungsdaten. Hier ist der Bedarf an einer FAIRen Dateninfrastruktur äußerst dringlich. FAIRmat fördert die effiziente gemeinsame Nutzung von Forschungsdaten (sharing is caring!) und deren Aufbereitung für die Wiederverwendung und Analyse durch Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz (KI). Dadurch ermöglicht FAIRmat ein neues Niveau und eine neue Qualität der Wissenschaft.
Dabei verfolgt das Konsortium einen Bottom-up-Ansatz, der sich an den Bedürfnissen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler orientiert und bereits jetzt große Unterstützung aus der Community erfährt. So ist FAIRmat in die Sektion Kondensierte Materie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ebenso gut eingebunden wie in die Max-Planck-Gesellschaft (z.B. Big-Data-Netzwerk, CPTS), und in eine Vielzahl von Universitäten und Instituten sowie internationale Aktivitäten.
„Natürlich suchen wir jetzt hochmotivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Domänenwissenschaften und der IT, die unsere Begeisterung für einen Paradigmenwechsel in der grundlegenden Materialwissenschaft teilen, um unser Team zu verstärken und die FAIRmat-Prinzipien gemeinsam zu realisieren“, sagt FAIRmats Sprecherin Claudia Draxl.
Um mehr über FAIRmat zu erfahren, besuchen Sie https://www.fair-di.eu/fairmat
Um Teil des FAIRmat Teams zu werden, besuchen Sie: https://nomad-lab.eu/career
Um mehr über das NFDI zu erfahren, besuchen Sie: https://www.dfg.de/nfdi
Weitere Informationen: